Zusammen mit mehr als 20 Brauern und Bloggern durfte ich am 11. September 2020 bei der Gesellschaft für Hopfenforschung e.V. und der Landesanstalt für Landwirtschaft, Arbeitsbereich Hopfen, an einem Informationstag im Hopfenforschungszentrum Hüll teilnehmen.
Seit einigen Jahren ist sicher jedem Biergenießer klar, dass es beim Brauen von Bier mit dem Satz
„Ganz besonders wollen wir, dass forthin allenthalben in unseren Städten, Märkten und auf dem Lande zu keinem Bier mehr Stücke als allein Gersten, Hopfen und Wasser verwendet und gebraucht werden sollen.“
allein nicht mehr getan ist.
Weltweit gibt es etwa 200 verschiedene Hopfensorten, wovon jedoch nur etwa 70 Sorten weltweit gehandelt werden. Diese werden unterteilt in „Bitter-“ und „Aromahopfen“. Waren früher die „Bitterhopfen“ dominierend im Brauprozess, haben in den letzten Jahren mit der Craftbier-Bewegung die „Aromahopfen“ zunehmend Bedeutung gewonnen. Ein fruchtig-aromatisches India Pale Ale wäre ohne Aromahopfen nicht denkbar, ebensowenig viele der anderen Craftbiergattungen.

Was hat nun die Gesellschaft für Hopfenforschung e.V. (GfH) damit zu tun?
1926 wurde die GfH gegründet und eine zentrale Beratungsstelle für den Hopfenbau zur Sicherung der Versorgung mit Qualitätshopfen für die Brauwirtschaft in der Hallertau eingerichtet. Die Ziele der Gesellschaft waren von Anfang an die Bekämpfung der Peronospora („Falscher Mehltau“, ein Schadpilz), die Züchtung, sowie die wissenschaftliche und technische Forschung. In Hüll (heute ein Ortsteil von Wolnzach in der Hallertau) wurde zu diesem Zweck ein Hopfengut gekauft.
Die Ergebnisse der Forschungen wurden den Hopfenbauern jeden Sonntag nach dem Kirchgang vor der zum Gut gehörenden Marienkapelle als Vorträge weitergegeben, um ihre Pflanzungen und Erträge zu verbessern.
Beratung der Hopfenpflanzer gehört heute noch zu den zentralen Aufgaben der GfH und des Forschungsinstituts, es sind aber weitere dazugekommen, und so hat sich auch das Erscheinungsbild erheblich gewandelt.
Mit Ausweitung der Forschungsziele, der Vergrößerung des Forschungs- und Beratungsteams durch Neueinstellung von Chemikern, Biologen, Laboranten und Versuchstechnikern wurde 1962 ein Neubau auf der dem Gut gegenüberliegenden Straßenseite notwendig. Das Gut selbst wurde 1988 an Anheuser Busch verkauft.
Mit dem Erlös des Verkaufs wurden ein neues Laborgebäude, ein weiteres Gewächshaus und ein Personalgebäude mit Sitzungssaal gebaut. Bis heute besteht eine partnerschaftliche, fruchtbringende Nachbarschaft und Zusammenarbeit mit der Busch Farm.
Wir hatten das Vergnügen, von Dipl. Ing. Walter König, Geschäftsführer der GfH, RDir Dr. Elisabeth Seigner, Züchtungsforschung Hopfen, Anton Lutz, dem technischen Leiter der Züchtung und Dr. Peter Doleschel, Leiter des Instituts für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung der LfL, viele Informationen über die wichtige Arbeit des Hopfenforschungszentrums Hüll zu bekommen. Nicht nur für die Brauwirtschaft, sondern mittlerweile auch zur Nutzung der medizinischen Eigenschaften von Hopfen wird hier geforscht. Im Vordergrund steht aber nach wie vor der Hopfen als Bierzutat.
Der Klimawandel macht den traditionellen Sorten mittlerweile durch immer öfter auftretende und immer längere Dürreperioden zu schaffen, also muss auch daran gearbeitet werden, neue, marktgerechte, moderne Sorten im „Aroma-„ und „Hochalphabereich“ sowie für alternative Anwendungen zu züchten, die für die Brauerei mindestens die Qualitäten der existierenden Sorten mitbringen müssen.
Man bedient sich dabei optimierter Selektionssysteme im Gewächshaus und Labor, die hier auch entwickelt wurden. Im weiteren Verlauf der Züchtung gibt es dann Anbauprüfungen mit Wiederholung an verschiedenen Standorten mit unterschiedlichen Anbaubedingungen, auch außerhalb Bayerns, und biotechnologische sowie molekular-diagnostische Methoden. Nicht zuletzt werden in den Forschungsbrauereien Testsude gebraut, um festzustellen, wie sich der Hopfen dann auf den Geschmack und “Drinkability” * unterschiedliche Biere auswirkt. Bis ein neuer Hopfen marktreif ist, können so schon einmal bis zu zwölf Jahre vergehen.
*Es bedeutet: „Das Bier lädt zum Weitertrinken ein“.
Es wird an der Optimierung der Böden, der Bewässerung und auch der Düngung im Hinblick auf Zukunftsfähigkeit und Nachhaltigkeit geforscht.

Pflanzenschutz ist ebenfalls ein großes Thema. So testet man die Wirksamkeit bei Zulassung neuer Pflanzenschutzmittel.
Das Institut forscht zu Diagnose, Biologie und umweltgerechter Kontrolle von Schadorganismen, überwacht den aktuellen Infektionsdruck bzw. Schädlingsbefall und betreibt ein Forschungsprojekt zu Verticilliumwelke (ein Pilz, der den Hopfen und andere Wirtspflanzen vom Boden aus angreift und Pflanzen verwelken lässt. Ein befallener Hopfengarten kann im schlimmsten Fall auf Jahre nicht mehr bepflanzt werden und muss aufwändig “saniert” werden.).
Und nicht zuletzt steht das Aroma des Hopfens und damit des Biers im Fokus. Nicht wenige neue Aromahopfen kommen aus Hüll. Und weil der Geschmack und Genuss zentrale Themen der eingeladenen Brauer und Blogger sind, wurde uns eine kompakte Schulung in „Hopfenbonitur“ zuteil. „Bonitieren“ ist die „fachgerechte, qualitative Beurteilung landwirtschaftlicher Betrachtungsobjekte“ (Wikipedia).
Bei der Hopfen-Bonitur werden Hopfenmuster von einer Fachjury bewertet. Dabei geht es weniger um die Schönheit der Hopfendolden, als um die inneren Werte. Dazu liegen Partien verschiedener Hopfenpflanzer zur Auslese bereit.
Mit den Händen graben sich dabei die Hopfen-Spezialisten in die Proben, riechen intensiv daran, zerreiben Dolden. Neben Krankheitsbefall, Aroma und haptischer Beschaffenheit (hier erkennt der Fachmann auch die Qualität der Arbeit der Pflanzer bis hin zur Trocknung der Dolden) fließen noch viele weitere Kriterien in die Bonitierung ein. Eine gute Nase, viel Erfahrung und Konzentration sind elementar wichtig, um die aromatischsten Hopfen der Saison zu küren. Dabei sind Vertrauen und Verlässlichkeit wichtige Werte, denn vom Ergebnis hängt auch Wohl und Wehe des Pflanzers ab.
Nach dieser Erfahrung waren unsere Hände gelb vom Lupolin, dem Inhaltsstoff des Hopfens, der für die Brauer wichtig ist. „Berauscht“ von den Düften und Aromen, haben wir uns dann die Hopfenernte im Kleinen (im Forschungsinstitut) und im Großen (auf der Busch Farm) ansehen dürfen.
Während im Institut die Forschung im Vordergrund steht (hier stellt man z.B. den „Ertrag pro Rebe“ fest), ist die Busch Farm Hopfenpflanzer und Lieferant für die Brauereien der Anheuser-Busch InBev. Hier begrüßte uns ein „alter Bekannter“, Ferdinand Weingarten, den ich als Braumeister bei Camba Bavaria kennengelernt habe. Seit drei Jahren ist er wieder in seiner Heimat Hallertau und leitet die Busch Farm.
Nach seiner Führung durch alle Arbeitsschritte der Hopfenernte auf der Farm mit viel Information und abschließendem Umtrunk durften wir beim Forschungsinstitut noch Biere verkosten und bewerten. Ich muss hier den professionellen Sommeliers*en höchsten Respekt aussprechen, diese Bewertung ist wirklich nicht leicht. Ich behaupte, eine ausgeprägte und nicht schlecht trainierte Sensorik zu haben, aber zum Sommelier fehlt noch einiges.

Alles in allem war es ein höchst interessanter und lehrreicher Tag, von dem ich neben neuem Wissen (auch für meine eigenen Biere) neue Kontakte und das gute Gefühl mitnahm, dass es um unser Lieblingsgetränk Bier auch in Zukunft gut gestellt sein wird.
Hier arbeiten Menschen mit Leidenschaft für ein Produkt, das für uns Genuss bedeutet.
Ich habe übrigens heute die Beitrittserklärung als Fördermitglied der Gesellschaft für Hopfenforschung e.V. abgeschickt.