Meine Berliner Freunde besuchen gerne die Insel Rügen. Dort gibt es eine Brauerei – die Rügener Inselbrauerei. Und der dortige Braumeister Markus Berberich ist ein kreativer Kopf und braut Craftbiere vom Feinsten.
Wenn ich die Bierbeschreibungen, die man als PDF von der Webseite herunterladen kann, richtig verstehe, sind die Biere allesamt eigene Interpretationen von traditionellen internationalen Bierstilen.
Noch besser als die PDFs zu studieren (was an sich schon spannend ist) ist es, die Biere zu probieren. Weil meine Freunde ganz lieb sind, denken sie immer an mich, wenn sie irgendwo spannendes zum Thema Bier entdecken, und bringen mir was mit. Und so kamen schon ‘mal zwei Flaschen von der Insel im hohem Norden zu mir in den tiefen Süden:
Insel Herb ist schon ein wenig her, aber ich erinnere mich noch gut und gerne dran. Man kennt solche Biere unter dem Überbegriff „(British-Style Extra) Special Bitter“ Die leichte Zitrusnote und die nicht allzu zu heftigen 5,6 % machen es zu einem erfrischenden Trunk an einem warmen Sommerabend. Die Zitrusnote kommt nicht – wie ich überrascht gelesen habe – von einem Hopfen wie z.B. Citra oder Mandarina Bavaria, sondern von einer Hefe, die hier verwendet wurde. Frisch, aber auch trocken und bierig herb passt es wunderbar zu einem schönen Abend auf der Terrasse, aber auch als Begleiter z. B. zu Fisch.
Das Baltic Stout ist eine Interpretation des „Imperial Stout“. Das habe ich gestern Abend genossen. Ich mag Stouts, besonders „Imperial …“ von Markus Hoppe oder „Sweet …“ von Camba. Wie schon ‘mal geschrieben ist Stout mehr als das (durchaus löbliche) Getränk aus der berühmten irischen Brauerei.
Das Baltic Stout von Rügen kommt ins Glas wie man es erwartet: seeeeehr dunkel, mit einem dunkel-karamellfarbigen feinen Schaum, der auch schön stehen bleibt. Duften tut es nach Malz. Geröstetem Malz. Kräftig geröstetem Malz. Was anderes wäre auch eine Überraschung.
Ich möchte wetten, dass ich da so ein wenig einen kräuterigen Wacholderduft wahrgenommen habe. Sollte da etwa mein Lieblingshopfen „Cascade“ mit von der Partie sein? Ich weiß es nicht, und Markus Berberich verrät es leider nicht.
Und dann der Geschmack: schwarzer, kräftiger Kaffee, und ein wenig Kakao – pur, 99%ige Schokolade … Dabei schmeichelt das Bier ganz weich der Zunge und dem Gaumen – die ideale Trinktemperatur ist bei (für mich bisher ungewohnten) 16°C, was auch dazu beiträgt.
Die beiden Biere haben zwar als „Paten“ internationale bereits vorhandene Bierstile, aber sie sind eigenständige, eigenwillige Interpretationen. Und das macht für mich ein Craftbier auch aus. Neue, „wilde“ Kreationen sind zwar auch ganz spannend und bieten nie dagewesene Duft- und Geschmackserlebnisse, aber auch traditionelles neu zu interpretieren und in die heutige Zeit „zu holen“ ist zum einen eine Herausforderung für kreative und qualitätsbewusste Brauer, zum anderen für den Biergenießer immer wieder eine Freude, wenn man dadurch beispielsweise einen längst „vergessenen Bierstil“ wieder oder für sich neu entdeckt.
Die Rügener Inselbrauerei scheint mir da auf dem besten Weg zu sein, und ich freue mich auf weitere „Expeditionen ins Bierreich*“.
*“Expedition ins Bierreich” ist ein Begriff von der Rügener Inselbrauerei, den sie auf die Flaschen ihrer Biere drucken. Ich habe ihn verwendet, weil er mir gefällt und besser passt als alles, was man “neu erfinden” könnte.