Wer erwartet in einer Craftbierveranstaltung eine Großbrauerei? Klar, Hofbräu war als Premium-Partner der Veranstaltung da, aber auch kleine „Craft-Brauereien“ wie BraufactuM, Brauerei im Eiswerk und nicht zuletzt Craftwerk gehören größeren Brauereien oder Brauereigruppen an. Sie sind durch viel Engagement von Enthusiasten teils aus den „Mutterbrauereien“ entstanden und haben eigenständige Erscheinungsbilder und vor allem Biere entwickelt. Meist brauen sie nicht einmal im Mutterbetrieb. Über die Biere von BraufactuM habe ich schon mehr als ein Mal berichtet. Ich habe am Stand von Craftwerk ein „Wet Hop Lager“, also ein „Grünhopfenbier“ probiert. Hierbei wird der Hopfen erntefrisch dem Bier zugegeben und entfaltet so ganz andere Aromen als in getrocknetem Zustand oder gar als Pellets. Die „Harvest Edition 2017“ steht in einem leicht naturtrüben Goldgelb im Glas. Noten von Zitrus, aber auch – und das war die Überraschung für mich – frischem Gras steigen in die Nase. Nicht zu süß, dezent bitter, ebenfalls mit Zitrus und frischem Gras geht es über Zunge und Gaumen, um mit moderater Bittere, grasig-würzig im Abgang daran zu erinnern, dass es ein Lager ist. Das Mundgefühl ist weich und samtig, die Perligkeit dezent und sanft. Ein besonderes Bier, und niemand, der es nicht sowieso weiß, käme auf die Idee, dass ein solches Bier aus der Bitburger Gruppe kommt. Jan Niewodniczanski von Craftwerk betonte im Gespräch auch, dass man auf eigenständiges Auftreten großen Wert lege.
Am Stand der TUM/Weihenstephan hatte ich gerade den „Braupakt“ probiert, einen (leider limitierten) Gemeinschaftssud von Weihenstephan und Sierra Nevada aus Kalifornien. Braupakt ist ein Weißbier, darin sind helles und dunkles Gerstenmalz, Weizenmalz und Karamellmalz. Das gibt einen schönen malzigen „Körper“. Der Hopfen Hallertauer Tradition ist für eine Grundbittere verantwortlich, während Amarillo und Chinook fruchtiges mitbringen – Grapefruit und Aprikose, die sehr schön mit der Süße des Karamellmalzes harmonieren. Die Weißbierhefe bringt den allseits üblichen leichten Bananengeschmack mit ins Bier. Ein Weißbier „zum sich daran gewöhnen“.
Während meines Gesprächs hier am Stand mit Stefan Schlepphorst, neben seinem Brauwesen-Studium Mitarbeiter der Bierfachhandlung (stark untertrieben!) „Bierhandwerk“ in Freising und Bier-Afficionado, kamen zwei junge Damen mit doch recht originell farbigem Getränk im Glas vorbei. Auf die Frage, was das sei und wo es das gibt, kam die Antwort „Hibiskus-Bier, Moulin Brewge, zu haben bei Munich Brew Mafia und Varionica“ (Zagreb,Kroatien). Die beiden Brauereien haben das gemeinsam entwickelt und gebraut. Es macht seinem Namen Ehre: leicht säuerliches Aroma von Hibiskus, aber auch Zitrus und Himbeere machen Durst auf mehr. Ich stelle mir das als erfrischendes Bier an einem schönen Sommerabend vor. Und es schmeckte den Damen offenbar auch sehr.
Ich liebe belgische Biere – Ales, Wit und Saisons. Grisette ist ein fein prickelndes Belgian Ale von Camba Bavaria. Hochvergoren und damit recht schlank und trocken und dank der verwendeten Hopfen Northern Brewer, Fuggles, Goldings, Blanc fein herb und fruchtaromatisch. Wie es sich für ein Ale gehört, ist Grisette aus hellen Malzen obergärig vergoren und hat nicht ganz so leichte 5,9% Alkohol. Auch dies ein wunderbares Sommerbier. Hat mir aber auch im Februar geschmeckt.
Schon im Vorfeld war ich neugierig. Ich hatte vom Schiller Bräu aus dem Münchner Stadtzentrum gelesen. Zwei Frauen haben sich damit einen Traum erfüllt: Kristina und Ninja Höfler. Eine ganz traditionelle Wirtschaft, wie es sie früher gab, die den Nachbarn zweites Heim und Begegnungsstätte sein mag, mit bodenständiger, bezahlbarer Küche und – eigenen Bieren. Vier davon haben sie ständig am Zapfhahn: Helles, Dunkles, Weißbier und Scheps, ein leichtes Bier als limonadenfreie Alternative zur Radler. Und monatlich kommen Sondersude hinzu. Alle Biersorten sind ganz traditionell gebraut, aber mit einem „gewissen Etwas“, was den Leuten zusagt und auch mitten in München gerne getrunken wird. Ich habe das „Scheps“ probiert. Mit 7% Stammwürze und 2,5% Alkohol wahrlich leicht, schmeckt es aber dank ausgeprägtem Malzkörper und kräftiger Hopfung leicht herb, eben wie „richtiges Bier“. Kristina erzählte so begeistert vom Schillerbräu, dem Team und den Gästen, dass ich sicher bin, dort mindestens ein Mal einzukehren.
Aus der „näheren Umgebung“ stammt der „Hopfenbua“ der Olchinger Braumanufaktur. Kräftiger und doch fein gehopft, etwas süßlich in der Basis, ist es ein Genießerbier, das entdeckt werden möchte. Ich selbst muss die Brauerei mal entdecken. Gerade wird eine Braustätte in Graßlfing bezogen. Regelmäßig gibt es dort Rampenverkauf und Veranstaltungen, sicher einen Ausflug wert.
Wer kennt nicht die kleinen Flaschen mit dem „Feuerwehr-Zwerg“ drauf – den Löschzwerg aus dem schwäbischen Gessertshausen. Aus einer traditionellen Brauerei erwachsen und mit dem Löschzwerg – mittlerweile in sieben Sorten (7 Zwerge?) am Markt sehr erfolgreich. Ich habe das „Würzige Kellerbier“ probiert. Zutaten und Brauhandwerk wie früher: Die Bierspezialität reift sechs Wochen bei Temperaturen um den Gefrierpunkt im Lagerkeller. Ungefiltert, mit der Hefe wird es direkt vom Lagertank in die Flasche gefüllt. Kleine Flasche, lecker Bier – das ist meine Meinung.
Apropos Flasche: Der „Pull-Off“-Verschluss bereitete meiner Frau gerne mal Verdruss. Nun weiß ich endlich Rat, wie auch sie die Flaschen aufbekommt: Erst nach außen ziehen, dann nach oben. So kommt man problemlos an das frische kühle Nass.
Aha-Effekt: Mittendrin sah ich an einem Stand den „Bukanter“ – eine „Geruchslupe“, wie die Entwickler dieses Instrument nennen. Durch Einblasen von Luft in kleine Mengen von Bier werden Aromen freigesetzt, die man so vielleicht gar nicht wahrgenommen hätte. Ich kann’s bestätigen – Andechser Dunkler Bock lässt sich „in Aromen zerlegen“, unter anderem hatte ich einen deutlich wahrnehmbaren Honigduft in der Nase. Allein im Bier ist der so intensiv nicht feststellbar. Der Bukanter taugt nicht nur für Bier, sondern auch z.B. für Spirituosen, Wein und Essige. Alles, was mit feinen Aromen den Genießer verwöhnt …
Dann kam noch der „Kugelstachel“ zum Einsatz. Der Sommelier schenkte wieder Andechser Dunklen Bock ein, dieses Mal in ein Glas. Dann kam der erhitzte Kugelstachel zum Einsatz. Das Bier wurde damit leicht umgerührt, schäumte dabei deutlich auf und entwickelte einen betörenden Duft. Durch die Hitze karamellisiert der im Bier enthaltene Restzucker und verändert dabei das Bieraroma in ganz ungewohnter Weise. Dunkles Bier ist auch ganz leicht angewärmt ein Genuss, wenn man es vorher so behandelt hat. Ganz weich, süßer als sonst, angenehm samtig. Nicht für jeden Tag und jedes Bier, ist der Kugelstachel ein originelles Accessoire für experimentierfreudige Bierliebhaber, die ihren Gästen einmal etwas anderes bieten möchten als das „übliche“, z.B. nach einem schönen Abendessen.
Die Braukunst Live! 2018 stand im Zeichen traditioneller Bierstile. Das war auch an der Auswahl der Biere und der Brauereien deutlich zu sehen. Aber neben neu interpretierten Traditions-Bierstilen waren durchaus wieder überraschende Genüsse zu finden.
Ich für mich ziehe dank der verschiedenen, teils neu gewonnenen Eindrücke, guten Gesprächen mit alten und neuen Bekannten und vielen Bierliebhabern eine absolut positive Bilanz. Ich freue mich schon jetzt auf die Braukunst Live! 2019.