Am 23. April jährte sich die Verkündung einer Bayerischen Verwaltungsvorschrift zum 500sten Mal. Vollmundig wird eine Seite eben dieser Verwaltungsvorschrift als „Bayerisches -” und “Deutsches Reinheitsgebot“ sowie als „ältestes Lebensmittelgesetz der Welt“ mit vielen Festlichkeiten gefeiert.
Zugleich wettern vor allem Angehörige der „Craft-Bier-Szene“ gegen genau dieses „Reinheitsgebot“, weil es sie in ihrer Kreativität einschränken und ihnen mehr Nach- als Vorteile bringen würde.
Was hat es damit auf sich?
Der Reihe nach.
Zunächst einmal ist es mitnichten die älteste Lebensmittelvorschrift der Welt, auch nicht für Bier. Da hatten schon die alten Babylonier und Ägypter klare Vorstellungen davon, was ein „anständiges“ Bier sei und sanktionierten Panscherei und Schlimmeres mit teilweise drakonischen Strafen.
In der Folge gab es auch auf „deutschem“ Gebiet einiges an Vorschriften zum Thema Bier (Beispiele!):
- 1156 Kaiser Barbarossa: “Justitia civitatis Augustensis” (Augsburger Rechtsverordnung)
„Wenn ein Bierschenker schlechtes Bier macht oder ungerechtes Maß gibt, soll er bestraft werden. Überdies soll das Bier vernichtet werden.“ - 1486 Bierordnung für Ulm
„… wenn die Biersieder ohne alle Ordnung sieden und das Bier nicht vergären lassen, so entstehen Krankheiten unter den Leuten.“ - 1487 Herzog Albrecht IV von Bayern bestimmte, dass jeder Münchner Brauer zur Bierherstellung lediglich Gerste, Hopfen und Wasser verwenden dürfe.
- 1493 Übernahme dieses Gesetzes für ganz Niederbayern
- 1516 Herzöge Wilhelm IV. und Ludwig X.: Reinheitsgebot für die Region Nieder- und Oberbayern. Das ist die in diesem Jahr gefeierte …
Die obenstehende Liste ist nicht vollständig!
Sie gibt nur einige wichtige „Stationen“ auf dem Weg zum „Reinheitsgebot“ wieder.
Den Namen „Reinheitsgebot“ kennt man dafür auch erst seit 1908, als es in einem Sitzungsprotokoll des Bayerischen Landtags vom 4. März notiert und damals als werbewirksames Schlagwort herausgestellt wurde.
Was bezweckte das „Reinheitsgebot“ von 1516?
Der Kernsatz ist:
„Wir wöllen auch sonderlichen / das füran allenthalben in unsern Stetten Märckthen / un auff dem Lannde / zu kainem Pier / merer Stückh / dann allain Gersten / Hopffen / un Wasser genomen un geprauche solle werdn.”
Zum einen sollte der (wertvollere) Weizen den Brotbäckern vorbehalten sein, damit nicht durch das Bierbrauen eine Brotknappheit verursacht würde.
Dann gab es immer schon Bierbrauer, die ihren Gebräuen mit „besonderen“ Zusätzen zu mehr Geschmack oder Wirkung verhelfen wollten. Beim Lesen dieser „Zutatenlisten“ vergeht einem der Durst …
Auch zur „Stabilisierung“ des Bierpreises sollte das dienen.
Und nicht zuletzt unterliefen oder verwässerten die Wittelsbacher selbst dieses „Reinheitsgebot“, auch als Maximilian I. sich am 29. April 1603 das Weißbiermonopol sicherte – bei dem Weizen zum Brauen von Bier verwendet wird. Damit wurden Bayern und der spätere Kurfürst nicht nur “saniert”, sondern „richtig reich“.
In der Folge wurde das „Reinheitsgebot“ immer wieder modifiziert und angepasst, und das heute gültige Recht hat mit dem Wortlaut von 1516 nicht mehr wirklich viel zu tun.
Was in Deutschland und insbesondere Bayern heute gilt, ist das Vorläufige Biergesetz von 1993 und die „Verordnung zur Durchführung des Vorläufigen Biergesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 29. Juli 1993“. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen … Auf den Inhalt will ich gar nicht näher eingehen.
Warum also haben nun manche – besonders „neue und kreative“ – Brauer ein „Problem“ mit der Feier von „500 Jahren Reinheitsgebot“?
Sie sehen darin eine Verhinderung von Innovation und „lästiger“ Konkurrenz. Sie sehen darin die „Manifestierung“ des Status Quo, der Massenbiere auf dem deutschen Markt. So verstehe ich jedenfalls die „Diskussion“.
Dass unter dem „Deckmäntelchen Reinheitsgebot“ ein Wettbewerbsnachteil für deutsche, insbesondere bayrische (Craft-Bier-) Brauer etabliert wurde, ist nicht Schuld des Reinheitsgebotes, sondern der lobbygesteuerten Politik, die eben dieses Reinheitsgebot schon längst verwässert und zu Gunsten der Großkonzerne verzerrt hat.
Hier in Bayern darf jeder ausländische Brauer sein Produkt als “Bier” verkaufen, egal, ob nach “Reinheitsgebot” gebraut oder nicht. Ein in Deutschland ansässiger, insbesondere bayrischer Brauer, darf das nur, wenn er sich an die “Buchstaben des Gesetzes” hält. Und da darf sich nur “Bier” nennen, was den Buchstaben der Bierverordnungen (… siehe oben …) gerecht wird.
Mit dem Schriftsatz von 1516 hat das jedenfalls schon lange nichts mehr zu tun. Zu Recht sagen einige Craft-Bier-Brauer, dass dies so vom Europäischen Gerichtshof kassiert würde, wenn sich dieser denn damit mal ernsthaft beschäftigen würde. Na dann – auf geht’s! Worauf wartet Ihr denn dann?!
Ich persönlich würde das „Reinheitsgebot“ durchaus als „Prädikat“ würdigen. Vielleicht mit der „Modifikation“, dass mit Malz (nicht allein Gerste) ein feines und qualitativ hochwertiges Bier gebraut werden kann. Dann gibt es auch keine Schlagzeilen mehr wie “Droht Weißbierbrauern eine Abmahnwelle?”
Und wer z.B. ein Grutbier oder ähnlich experimentelles braut, muss sich ja nicht auf das Reinheitsgebot berufen. Ein BIER ist es allemal, und wenn traditionell und handwerklich gebraut, braucht’s das “Prädikat” ja auch nicht. Allein künstlicher Kram oder Gift wie z.B. Glyphosat hat nichts darin verloren.
In diesem Sinne: Zum Wohl und „Gut Sud“.